Aber immer näher dran…
Als „Aussteiger“ stellen wir uns meist Menschen vor mit Rastazöpfen und Vollbart, ungepflegt, schlabberiger Kleidung aus dem Second Hand Laden, einem plakativen Hang zur Esoterik, Veganer, die Sommer wie Winter Barfuß unterwegs sind, kein Auto besitzen, einen regulären Job vehement ablehnen, keine Krankenversicherung haben und beinahe fordernd erwarten, dass man sie unterstützt, ob finanziell, oder mit Lebensmitteln… Soweit das Klischee. Aber auch Klischees haben einen Ursprung und so trifft das eben Aufgezählte durchaus auf ein paar Zeitgenossen zu, aber definitiv nicht auf alle. Lange nicht auf alle.
So möchte ich nun drei recht unterschiedliche Personen vorstellen, die aber eines gemeinsam haben: Sie sind alle drei Aussteiger und alle drei teilen eine weitere Leidenschaft: Sie wollen einfach nur unabhängig sein und ihr Leben so führen, wie sie es sich vorstellen.
Einer dieser drei ist der bekannte österreichische Kabarettist Roland Düringer, der jahrelang im Überfluss lebte, zahllose Autos und ein großes Haus sein Eigen nannte, da er es sich durch seine beruflichen Erfolge leisten konnte. Aber Düringer machte einen Sinneswandel durch und beschloss eines Tages, zunächst als Selbstexperiment für ein Jahr, sein Leben in einen Wohnwagen neben seinem Haus zu verlagern, Handys, Emails und Bankkonten zu kündigen, Gemüse anzubauen und Schweine auf der Weide zu züchten. Ein fast komplettes Selbstversorgerleben also. Das erste Jahr überstand er nach eigenen Angaben problemlos, da vor allem nichts passierte („Ich hab alles gekündigt und gewartet, was dann passiert… Na, nix is passiert!!!„), so O-Ton Düringer. Damit meinte er, dass man sich viele völlig unbegründete Ängste macht, wenn man auf etwas verzichtet. Nach diesem Jahr hatte er einen solchen Gefallen an seinem neuen Lebensstil gefunden, dass er diesen einfach beibehielt.
Der Zweite Aussteiger ist der Kanadier Shawn James, der sein schnöseliges Krawattendasein in der Großstadt satt hatte, sich 2017 ein großes Grundstück in der Wildnis kaufte um dort mit zunächst nur ganz wenigen Werkzeugen, die nur mit reiner Muskelkraft betätigt wurden, eine Blockhütte zu bauen. Seitdem lebt er dort als Selbstversorger und erweitert ständig sein Anwesen. Er lebt ausschließlich von der Jagd und dem Gemüseanbau und stellt beinahe alle Dinge, die er braucht, selber aus den Materialien her, die ihm die Natur bietet. Man braucht aber nicht glauben, dass Shawn ein bemitliedenswertes Dasein am Rande des Existenzminimums fristet; Auf seinem YouTube-Kanal kann man sich davon überzeugen, wie vergleichsweise luxuriös ein Leben in der Wildnis und in tiefer Verbundenheit mit der Natur eigentlich sein kann, wenn man weiß wie! Und sehr viele Menschen, mich eingeschlossen, beneiden Shawn um sein Leben im Blockhaus!
Der Dritte im Bunde ist der deutsche Motorradreisende Erik Peters, der seinen Bürojob kündigte, sich ein altes Motorrad auf Ebay ersteigerte und einfach los fuhr. Inzwischen ist Erik weltweit unterwegs, produziert professionelle Dokumentarfilme von seinen Reisen, schreibt Reiseführer und hält Diavorträge. Sein Zuhause ist die ganze Welt und so verbringt er mehr Zeit im Sattel seines Motorrades und im Zelt, als in seiner kleinen Kölner Wohnung und von ihm stammt ein wunderbares Zitat:
„Es ist Luxus, auf etwas verzichten zu können!“
Wie gesagt, könnten die Drei kaum unterschiedlicher sein, aber sie sind doch alle per Definition Aussteiger und alle hatten ihr bisheriges Leben, welches sich nur nach dem „System“ ausrichtete, einfach satt, denn sie wollten so gut wie möglich unabhängig und ihr eigener Herr sein. Zu 100% kann ohnehin so gut wie niemand dem „System“ entkommen, denn das hieße sich auch mitunter bedeutenden Gefahren auszusetzen, wie etwa bei einer fehlenden Krankenversicherung, oder vielleicht auch im Hinblick auf die Rente und wenn man sein Aussteigerdasein in ein Extrem treibt, so frage ich mich, ob dass dann noch wirklich erfüllend ist und wirklich so glücklich macht. Da meine ich dann wirklich Leute, die mehr oder weniger dem oben genannten Klischee entsprechen und die oft tatsächlich eher frustriert sind, da sie von den meisten Menschen oft nur noch Ablehnung und Unverständnis erfahren. Zwar darf und soll jeder Mensch die Möglichkeit haben, über sein Leben selbst zu bestimmen, allerdings sehe ich gewisse ethische Aspekte der Gesellschaft gegenüber, denen ich mich nicht entziehen sollte. Es ist zwar absolut legitim, sich von der Gesellschaft im Allgemeinen loszusagen, aber ich darf mit meinem Tun und Handeln niemand anderem zu einer Belastung werden. Aber das würde z.B. passieren, wenn ich meine Krankenversicherung aufkündige; Zwar wird mir jeder vernünftige Arzt im Fall des Falles dennoch helfen, aber irgendwer ist dann trotzdem der Leidtragende. Meist finanziell. Aber das darf ich eben nicht erwarten und erst recht nicht einfordern. Wir sollten uns in unseren Breiten viel eher glücklich und dankbar schätzen, ein gewissen System zur Verfügung zu haben, wie vor allem das Gesundheitssystem mit seinen staatlichen Versicherungen. Denn es gibt viele Länder, in denen das nicht so ist und Menschen, die keine Versicherung und kein Geld haben, werden mitunter beinhart abgewiesen.
Meine Meinung, dem „System“ nicht komplett zu entsagen soll aber keineswegs bedeuten, sich alles unreflektiert gefallen lassen und mitmachen zu müssen! Der Mensch soll sehr wohl kritisch hinterfragen und auch, wenn nötig, sich gegen etwas stellen. Gerade in den deutschsprachigen Ländern geht es ja gerne nach dem Prinzip: „Von der Wiege bis zur Bare, Formulare, Formulare!“, was natürlich auch einer gewissen Mentalität geschuldet ist. So lange aber die breite Masse da mitmacht, ist es schwierig, gegen Bürokratie und zahllose bis sinnlose Vorschriften, Gesetze und Regeln etwas erfolgreich zu unternehmen. So war es bis vor gar nicht mal all zu langer Zeit nicht möglich, seinen Wohnwagen, der fix auf einem Campingplatz steht, als Hauptwohnsitz anzumelden. Erst massiver Druck stimmte schließlich den Gesetzgeber milde und er erlies ein Gesetz von höchster Gnade, welches nun gestattete, offiziell auf einem Campingplatz wohnen zu dürfen. Ähnlich ist es ja mit dem Wildcampen, welches in vielen Ländern Europas teilweise rigoros verboten ist. So darf man in Österreich nicht einmal in seinem Auto schlafen! Die Argumente dagegen sind einerseits schlüssig, andererseits aber auch nicht. Dass man verhindern wolle, dass Dreck, Müll und Belästigung entstehen, könnte man durch ganz einfache Regeln klären, so wie es in den skandinavischen Ländern, aber auch in Schottland, Wales und Irland üblich ist und auch entsprechend kontrolliert wird. Auch dass in Städten Wildcampen und ähnliches nicht gestattet ist (übrigens auch in Skandinavien nicht!), ist ja verständlich und deswegen gibt es in den liberaleren Ländern oft eigene Stellplätze am Stadtrand, oder vielleicht sogar in der Stadt. Aber gerade die Skandinavier sind viel lockerer und entspannter mit vielem, als wir es sind und Stress kennen die schon gar nicht, weshalb gerade Länder wie Norwegen nicht nur als Reiseziel immer interessanter werden, sondern auch zum Auswandern. Dort wird mehr auf Empfehlungen gesetzt, die Regeln sind überschaubar und wenn man am Montag zur Arbeit geht, so ist es normal, dass man sich mit den Kollegen über die Outdooraktivitäten vom Wochenende austauscht, da irgendwie jeder in seiner Freizeit bei Wind und Wetter irgendwas draußen macht.
Aber warum bin ich noch nicht wirklich „ausgestiegen? Da gibt es mehrere Gründe: Wenngleich es der langfristige Wunsch ist, irgendwann einmal so autark wie möglich zu leben und das noch möglichst auf dem Land, so haben wir es jetzt nicht all zu eilig damit und wir wollen das auch nicht auf Druck und Zwang machen. Auch reisen wir beide sehr gerne und unser aktuelles Projekt ist der Umbau eines Land Rovers zu einem Offroad-Camper mit Dachzelt, der es uns ermöglichen soll, sehr unabhängig zu reisen und das an durchaus abgelegene Orte. Dieses freie und unabhängige, wie auch spontane Reisen ist für uns sozusagen Aussteigen auf Zeit. Ein Haus mit Selbstversorgergarten würde uns dies nicht mehr wirklich ermöglichen, oder uns zumindest sehr erschweren, denn dann bräuchten wir immer wieder über mehrere Wochen hinweg jemanden, der sich um Haus und Garten kümmert. Außerdem sind unsere Familien im Besitz von jeweils einem Haus, Julias Familie sogar einem Blockhaus am Waldrand. Diese Häuser dienen uns bereits jetzt als wunderbare Ruheoasen und Rückzugsorte und das ist uns im Moment wirklich mehr als genug…