Streitpunkt Renaturierungsgesetz

Und wieder gibt es in Österreich, aber auch in anderen Ländern ein sehr polarisierendes Thema:

Das gerade beschlossene Renaturierungsgesetz der EU. Und ich muss gleich betonen, dass ich mich weder den Grünen, noch sonst irgend einer Partei zugehörig fühle. Ich betrachte das ganze Thema also vollkommen unparteiisch und neutral und es handelt sich dabei um meine ganz persönliche Meinung.

Was sorgt denn aber für diese maßlose Aufregung und die Polarisierung rund um dieses Gesetz?

Recht einfach eigentlich:

Politische Machtkämpfe auf allen Seiten und Lobbyismus im Hintergrund! Mehr nicht!

Über all diesem Machtgebaren, welches natürlich auch von den Medien in die eine oder andere Richtung befeuert wird, vergisst man aber ganz offensichtlich (vielleicht absichtlich?), einmal einen genaueren Blick auf dieses Gesetz zu werfen. Medial und politisch sind es vor allem Schlagworte, wie „Bauernsterben“ und „Lebensmittelknappheit“, die da in den Kontras wüst und völlig aus dem Kontext gerissen verwendet werden und verständlicherweise für eine massive Verunsicherung sorgen. Die Verunsicherung trifft besonders die besorgten Bürger, von denen sich wahrscheinlich nur wenige die Mühe machen, sich dieses Gesetz einmal selber anzuschauen und genau das wird von der Politik dazu missbraucht, um ihre Revier- und Machtkämpfe auszutragen wie ein notbrunftiger Zwölfender. Zum eigentlichen Gesetzesinhalt wird in der Politik aber kaum etwas gesagt und ich möchte fast wetten, dass viele Politiker, egal welcher Fraktion sie angehören, sich das Gesetz, bzw. den Entwurf nie wirklich angeschaut haben und somit auch keine Kenntnis über den wahren Inhalt besitzen. Und kaum ein Medium brachte es bisher fertig, einmal völlig neutral und unpolitisch dieses Gesetz näher zu beleuchten und so der Bürger nicht selber nachforscht, schnappt er unreflektiert die Schlagwörter der Partei auf, zu der er sich hingezogen fühlt und glaubt, sich dadurch eine Meinung gebildet zu haben.

Aber ist das Renaturierungsgesetz denn wirklich so schlimm, wie viele behaupten?

Schauen wir es uns einfach mal an:

Die Verordnung (Art. 1 Abs. 2) sieht als Gesamtziel vor, dass auf die gesamte Union bezogen 20 % der Flächen (terrestrisch und aquatisch) wiederhergestellt werden sollen, also so restauriert werden, dass sie ihre natürlichen ökologischen Funktionen wieder erfüllen können, statt rein auf Bewirtschaftung ausgerichtet zu sein. Aber bedeutet das, dass die landwirtschaftlichen Nutzflächen alle verschwinden müssen? Nein, eben nicht, denn (nur) 10 Prozent der Agrarflächen sollen als Naturflächen wiederhergestellt werden, was allerdings nicht unbedingt eine Stilllegung bedeutet. Aber es geht der industriellen Landwirtschaft mit ihrer Überproduktion, ihrer Bodenauslaugung und ihren weiteren umweltschädlichen Methoden, wie Überdüngung und auch den chemischen Spritzmitteln, die massive Schäden an Biodiversität und Ökologie verursachen, (endlich) an den Kragen. Gefördert wird dadurch indirekt nämlich die ökologische Landwirtschaft, deren vollwertiger Nutzen zur Sicherung der Ernährung der Bevölkerung übrigens längst belegt ist (Studie der BOKU Wien 2018). Vom Gesetz kaum betroffen sind kleine Betriebe und die Almwirtschaft, wie aber oft behauptet wird. Auch die Forstwirtschaft ist nur zum Teil betroffen, da das Renaturierungsgesetz da viel eher vorsieht, dass man endlich von den Monokulturen weg kommt, auf Mischwälder setzt und auf Kahlschläge verzichtet, um u.a. die Böden wieder zu stabilisieren. Die Forstwirte müssen ggf. also lediglich umdenken. Auch ein Thema, was durch zahlreiche Studien längst bestätigt wurde, wie etwa das Plenterwald-Modell, welches auch schon seit Jahrzehnten von zahlreichen Wissenschaftlern forciert wird und das bis dato nur in Slowenien gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Ruf nach einer nachhaltigen und ökologischen Forstwirtschaft ist also auch nichts Neues. Man sträubte sich bisher nur gegen die großflächige Umsetzung und wollte aus Profitgier nichts davon wissen. Natürlich sind alternative und nachhaltige Forstbewirtschaftungen ebenso wenig für das „Schnelle Geld“ geeignet, wie die ökologische (Bio/Demeter) Landwirtschaft. Aber genau das ist der Punkt, an dem wir schon vor vielen Jahren hätten umdenken müssen. Hätten die jetzt von dem Renaturierungsgesetz Betroffenen schon vor 20 Jahren umgedacht, anstatt auf reinen Profit zu setzen, hätten sie jetzt keinen Grund zu jammern. Aber angeblich habe man ja, wie üblich, von nichts gewusst und diese Ignoranz fällt diesen Leuten jetzt auf den Kopf. Aber anstatt sich das einzugestehen, wird jetzt lieber Zeter und Mordio geschrien und es werden fragwürdige Anzeigen erstattet, die sich vermutlich selbst ad absurdum führen werden. Es wird also nicht in Lösungen, sondern in Problemen gedacht. Mal wieder.

Ebenfalls längst von zahlreichen Studien bestätigt ist das Problem der regulierten Flussläufe, besonders Hochwasser betreffend. Auch da gab es schon erfolgreiche Projekte (u.a. in Bayern), wo man vor vielen Jahren schon Flussläufe erfolgreich renaturiert hat. Das bedeutet auch keinesfalls, dass Städte, wie etwa Wien, Graz und Salzburg, durch deren Mitte Flüsse fließen, großflächig abgerissen werden, damit Donau, Mur und Salzach wieder ihren natürlichen Lauf erhalten. Nein, denn im Gesetz geht es um Rückbauung, also Renaturierung, wo es möglich ist. Es sollen Maßnahmen zugunsten der Flüsse getroffen werden, sodass es in der EU wieder insgesamt 25.000 km freifließende Fließgewässer gibt.

Natürlich müssen wir Bürger durch dieses Gesetz unser Konsumverhalten, besonders bei den Lebensmitteln, überdenken. Aber das müssten wir längerfristig auch ohne dieses Gesetz, denn an der Änderung unseres Konsumverhaltens führt kein Weg vorbei, wenn wir noch irgendwas für Umweltschutz und Klimawandel tun wollen.

Das Konsumverhalten ist auch Thema in der Studie der BOKU Wien von 2018:

Man sieht also, dass es sich bei dem Renaturierungsgesetz keinesfalls um irgendwelche gravierenden Neuerungen handelt, sondern um eine gesetzliche Maßnahme dessen, was durch viele Studien schon lange, eigentlich seit Jahrzehnten, längst belegt ist und gefordert wird. Zahllose Wissenschaftler warnten schon lange vor den Problemen, die dieses Gesetz nun unterbinden soll. Auch unser Konsumverhalten wird schon sehr lange stark kritisiert, wie es etwa in dem grandiosen Dokumentarfilm „We feed the World“ von 2005 (!) bereits sehr deutlich gemacht wurde. Man kann also sagen, dass es rund 20 Jahre gedauert hat, bis endlich einmal ein entsprechendes Gesetz auf höchster Ebene der EU beschlossen wurde, welches für alle Mitgliedsstaaten bindend ist. Und jetzt tut man beinahe so, als käme das alles so plötzlich und als ob man es nicht gewusst hätte, dass das mal so kommen muss. Man hat es sehr wohl gewusst, aber schob solche Filme und auch entsprechende Studien ins Land der Verschwörungstheorien ab und jetzt will man es nicht zugeben. Das Gesetz schreibt uns also nur vor, was wir vor 20 Jahren schon längst freiwillig hätten tun können und sollen.

Ich glaube, es wird ersichtlich, dass dieses beschlossene Renaturierungsgesetz unterm Strich dem wirklichen Wohle aller inklusive der Natur dient und keinesfalls das böse, vernichtende Monster ist, als das es uns verkauft wird und nach Jahrzehnten der Ignoranz hat sich eine Mehrheit von Parlamentariern mutig dazu entschieden, dieser Ignoranz endlich einmal den Gar aus zu machen. Auch wenn dieser Beschluss im Hintergrund vielleicht auch wieder nur ein Machtkampf um Positionierung und Wählerstimmen war, so finde ich vordergründig das Ergebnis richtig und gut. Dieses Gesetz schadet uns keineswegs; es holt uns nur aus unseren längst schon veränderungswürdigen, festgefahrenen Gewohnheiten heraus und wir müssen dadurch nun endlich lernen, nicht in Problemen, sondern in Lösungen zu denken. Und bis 2050 sind es noch runde 26 Jahre. Genug Zeit also für die Betroffenen, sich nun endlich einmal ernsthafte Gedanken um profitable Lösungen zu machen, die dem Gesetz entsprechen und diese Lösungen auch erfolgreich umzusetzen. Schließlich räumt das neue Gesetz ihnen ja einen recht großzügigen Zeitraum zur Umsetzung ein und kein Mensch braucht davor Angst zu haben, dass jetzt sofort der Hahn zugedreht wird und es zu irgendwelchen Knappheiten kommt! Aber Letzteres wird von den (politischen) Kritikern ja maßlos suggeriert und das ist, mit Verlaub gesagt, vollkommener Schwachsinn! Abgesehen davon ist das Renaturierungsgesetz noch nicht einmal in Kraft, denn es braucht dazu erst noch die Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten. Es ist also zunächst nur beschlossen worden.

Ich bin kein großer Fan der EU und sehe in diesem Staatenbund leider viel Negatives. Aber dass dieses Gesetz beschlossen wurde, war mehr als an der Zeit und durch seine enorme Reichweite, eben die ganze EU, wird dadurch großflächig das möglich, was längst schon notwendig gewesen wäre. Ich vermute auch, dass in den nächsten Jahren einige Länder, die nicht der EU angehören, nachziehen werden. Entweder, weil das Beispiel der EU Schule macht, oder weil auch andere Staaten und Staatenbünde zum Umdenken gezwungen werden und ihnen letztlich keine andere Wahl mehr bleibt, außer ebenfalls solche Gesetze auf Schiene zu bringen. Bevor man, und das meine ich eigentlich grundsätzlich, kritisiert, polarisiert und vorverurteilt, sollte man sich das zu Kritisierende erst einmal genau anschauen und nicht irgend etwas daherprabbeln. Diskutieren darf und soll man. Aber auf einer sachlichen Ebene und ohne nur mit Schlagworten auf andere zu zielen, die anderer Meinung sind. Hierzulande gilt aber ganz offensichtlich noch immer das antiquierte Sprichwort: „Willst du nicht mein Bruder sein, schlag‘ ich dir den Schädel ein!“!